Das Thema Elektromobilität ist brandaktuell. Obwohl es in der Bevölkerung oftmals als etwas Neuartiges empfunden wird, ist das Thema nicht ganz so neu. Am 13. März 1972 hat Mercedes-Benz in Brüssel, im Rahmen des Symposius „Electric Vehicle Study Days“ des Internationalen Verbands der Elektro-Versorgungsunternehmen UNIPEDE (Union Internationale des Producteurs et Distributeurs d’Énergie Électrique) den rein elektrisch angetriebenen Leichttransporter Mercedes-Benz LE 306 vorgestellt.
Mit der Unterstützung der Industriepartner Kiepe und Varta, die zur elektronischen Steuerung, beziehungsweise Batterietechnik beigetragen haben, wurde der Kleintransporter LE 306, der nach der Übernahme von Hanomag-Henschel in der eigenen Produktpalette integriert wurde, zum „E-Transporter“ umgebaut.
Als Antrieb dient ein fremderregter Gleichstrom-Nebenschlussmotor mit 35 bis 56 kW Leistung. Die Energie stammt aus einem Batteriepaket mit einer Spannung von 144 Volt, und einer Kapazität von 22 Kilowattstunden. Diese 860 Kilogramm schwere Batterie kann den Transporter mit einer Tonne Nutzlast auf eine Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h beschleunigen, und reicht für eine Reichweite von 50 bis 100 km. Wie bei aktuellen Elektro- und Hybridfahrzeugen, beherrscht auch der Kleintransporter Rekuperation. Dabei dient der Elektromotor als Generator, der die Bewegungsenergie in Elektrizität umwandelt, und zurück in die Batterie speist, sobald der Fahrer vom Gas geht.
Um die Praktikabilität zu erhöhen, haben die Ingenieure ein Schnellwechselsystem entwickelt, womit ein relativ einfacher Wechsel der Batterie möglich ist. Innerhalb weniger Minuten soll mittels der „Durchschiebe-Querwechseltechnik“ ein Austausch, und damit eine sofortige Weiterfahrt möglich sein. In dem Prospekt aus dem Jahr 1972 hiess es : „Die entladene Batterie wird in einer Ladestation seitlich herausgezogen, während ein neuer Satz von der anderen Seite gleichzeitig eingeschoben wird. Das dauert nicht länger als ein normaler Tankvorgang“
Bei den olympischen Spielen im Sommer 1972 wurde eine Flotte LE 306 als Versuchsfahrzeuge eingesetzt, und erhielt dabei internationale Aufmerksamkeit. Wenig später wurde ein Grossversuch mit 58 Exemplaren mit der Gesellschaft für elektrischen Strassenverkehr (GES) unternommen, die von der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG in Essen (RWE) 1970 gegründet wurde.
Der elektrische Kleintransporter LE 306 wurde im Rahmen eines Forschungsprogramms entwickelt, dass alternative Antriebe untersuchen soll. So wurde parallel der Elektro-Versuchsbus OE 302, und der Erdgas-Versuchsbus OG 305 entwickelt.
Es entstand ebenfalls ein Nachfolger des LE 306, unter der Bezeichnung LE 307. Dieser hatte eine in der Batteriehalterung integrierte Hebevorrichtung, wodurch der Wechsel der Batterien mit einem herkömmlichen Hebezug möglich war. Insgesamt 22 dieser Exemplare wurden 1983 in Bonn von der deutschen Post erprobt. Das Ergebnis fiel leider ernüchternd aus, da die Energiekosten im Vergleich zu entsprechenden Dieselfahrzeugen zu der Zeit fast doppelt so hoch waren.
Der Erfolg des Elektroantriebs scheint trotz dieses ernüchternen Ergebnisses jedoch nur eine Frage der Zeit gewesen zu sein. Einige Unternehmen scheinen aktuell die Vorzüge der elektrischen Kurzstreckentransporter wieder für sich zu entdecken. Mercedes-Benz hat bereits eine elektrische Modelloffensive, unter dem Stichwort „EQ“ angekündigt.
Manuel Senn
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